В. Г. Гузев. Избранное

424 В. Г. Гузев. Избранное: К 80-летию Diese Besonderheit der Sprache, jede Erscheinung, sofern sie durch ein Wort bezeichnet wird, als Ding, Eigenschaft oder Tätigkeit darzustellen und „mit einer selbständigen, von anderen Erscheinungen abgelösten Existenz zu begaben“, nennt der deutsche Forscher E. Leisi sehr treffend Hypostasierung (durch das Wort) 1 . Man weist zudem darauf hin, daß die Resultate der Hypostasierung nicht den bewußten alltäglichen oder wissenschaftlichen Vorstellungen eines Men- schen von den Erscheinungen der Wirklichkeit entsprechen können. Wenn man z.B. über „das Ersetzen von Wörtern durch Demonstrativpronomen“ re- det, ist es gerechtfertigt, zu behaupten, daß es sich um eine Tätigkeit handelt, die als Ding, in anderen Worten: vergegenständlicht ausgedrückt wird. Es ist hier am Platze, folgende Worte von Edward Sapir anzuführen: „Ganz ebenso wie wir in einem Fall wie ‚vergilbt‘ die Idee einer Eigenschaft durch ein Verb ausdrücken können, so können wir uns eine Eigenschaft oder eine Tätigkeit als ein Ding vorstellen“ 2 . Erscheinungen der Interpretation beobachtet man nicht nur in der Sphäre der Herausbildung der Sprachbedeutungen und des ganzen Sprachsystems, d.h. in der Diachronie, sondern auch in der Synchronie — im Bereich des Funktionierens der Sprachmittel, der Erzeugung von Rede(parole)einheiten (Wortformen, Äußerungen usw.). Hier ist davon die Rede, daß manche im Sprachsystem eingebürger- te semantische Einheiten — selbst Produkte einst erfolgter Hypostasie- rung — operativ aufs neue umgewandelt und in einer neuen, aber gewohn- ten Gestalt (von Gegenstand, Eigenschaft oder Umstand) dargestellt werden können. Zum Ausdruck einer solchen sekundär hypostasierten Semantik verfügt die türkische Sprache über spezielle technische (morphologische) Mittel. Zu diesen Mitteln gehört die Form auf -ki. Mit dieser Form kann, zum Bei- spiel, ein Umstand als Gegenstand oder Eigenschaft dargestellt werden: yarın „morgen“, yarın + ki 1) „etwas, das morgen sein wird“ oder 2) „der morgige“. Wenn also das Zeichen yarın auf der parole-Ebene als unmit- telbarer Repräsentant des Umstandes „morgen“ fungiert und in bezug auf den Umweltreferenten als primär repräsentierend angesehen werden kann, tritt die Wortform yarınki als Repräsentant einer sekundären, umgestalteten Semantik auf und kann infolgedessen als Mittel der sekundären Repräsen- tation betrachtet werden. 1 Leisi, E., Der Wortinhalt: Seine Struktur im Deutschen und Englischen, 2., erweiterte Auflage, Heidelberg 1961, 23–25. 2 Sapir, E., Die Sprache: Eine Einführung in das Wesen der Sprache, München 1961, 112.

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